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  • AutorenbildFilipando Warmudoz

Kein Dämon lebt ewig

Fridolin sitzt am Sterbebett seiner Großmutter. Sie wäre dieses Jahr 97 Jahre alt geworden, doch nun bleibt von ihr nur noch Erinnerung, ein leeres Haus und ihre letzten Worte, die obwohl sie bereits verstummt waren doch noch den Raum füllten: kein Dämon lebt ewig.

Sie hatte bereits vor fünf Minuten ihren letzten Atemzug getan, jedoch konnte sich Fridolin noch nicht regen. Die Gedanken spielten parallel Filme aus Vergangenheit und Zukunft und verzerrten seine Zeitwahrnehmung, sodass er noch fast sodass er noch immer sah wie sie ausatmete. Er hatte überlegt noch ein Foto von ihrem Leichnam zu machen, erinnerte sich dann aber an den Tod seines Großvaters, wo er selbigen Plan bereits hatte, welchen ihn seine Großmutter ausgeredet hatte. „Behalt ihn dir lieber lebend in Erinnerung“, sagte sie, was er nun auch mit ihr vorhatte. Seit seinem sechsten Lebensjahr hatte sie sich um ihn gekümmert. Sie war eine strenge Großmutter gewesen, wofür er sie, vor allem in seinen Teenagerjahren, oft verflucht hatte. Jedoch hatte er nach und nach erkannt, dass sie stets nur an sein Wohl gedacht hatte. Er erinnerte sich daran wie sie ihm damals immer die peinlichsten Socken gestrickt hatte und darauf bestand, dass Fridolin sie auch trug. Er war nur einmal damit in die Schule gegangen und als die anderen Kinder ihn dafür aufzogen, nahm er immer ein Ersatzpaar Socken mit, sodass er sie am Schulweg wechseln konnte. Am Nachhauseweg zog er wieder die selbstgemachten Socken an, damit seine Oma nichts bemerkte, was sie ja doch tat da immerhin sie all seine Wäsche wusch. Trotzdem sagte sie über eineinhalb Jahre nichts, solange wie er brauchte um seine Lektion in Sachen Eitelkeit zu lernen. Der Tagtraum zog seine Mundwinkel etwas nach oben, doch das Eintreten der Krankenschwester löste ihn und seinen in Gedanken verlorenen Blick wieder davon. Er stand wortlos auf, nahm seine Jacke und ging am Krankenbett vorbei auf sie zu. Mit einem leisen „Sie ist tot.“, informierte er die Krankenschwester und verabschiedete sich mit einem kurzen Blick über die Schulter von seinem letzten Familienmitglied.

Es ist kurz nach Mittag als er erschöpft die Wohnungstüre hinter sich schließt und ihm der Geruch seiner Lieblingsspeise, Claudias Lasagne, die Nase hochkitzelt.

Claudia kommt aus der Küche. Nach kurzem Blickkontakt, der ihr seinen Gemütszustand verriet, schloss sie ihn fest in ihre Arme. Es fühlte sich gut an. – die Umarmung und das Wissen nicht alleine zu sein. Vor allem nach dem Verlust eines geliebten Menschen. Sie hatte sich sofort freigenommen als sie seine Nachricht bekommen hatte. Dafür liebte er sie. Dafür und für vieles mehr, aber am meisten wohl dafür weil sie immer für ihn da war. Sie liebte ihn. Manche ihrer Freunde sagten sogar sie seien die Definition der Liebe. Sie selbst aber bezeichneten sich lieber als Team, das durch bedingungslose Hingabe, gemeinsam alles schaffen konnte. Aber vielleicht war das ja Liebe, wenn man sie verallgemeinern könnte?! Doch darüber machten sie sich eigentlich keine Gedanken, obwohl sie den mithergehenden Neid ihrer Singlefreunde doch etwas genossen.

Fridolins Großmutter war bereits seit einem halben Jahr im Krankenhaus gewesen, weshalb er das Begräbnis sehr gefasst über sich ergehen ließ. Es war eine schöne Trauerfeier, wenn man so etwas sagen konnte. Eigentlich hasste er Begräbnisse. Seiner Meinung nach waren diese Feste, bei denen sich die Hinterbliebenen über den Verlust eines Mitmenschen bejammerten etwas Egoistisches. Vielmehr sollte das Leben der Verstorbenen bei einer fröhlichen Party gefeiert werden. Und zusätzlich bleiben positive Erlebnisse länger in Erinnerung, was den Verstorbenen viel länger leben lässt. Aber als er bei der ersten Kundgebung seiner Meinung nur Verachtung erntete, behielt er sie seither lieber für sich.

Viele Leute waren nicht gekommen. „So muss ich wenigstens weniger mitleidige Hände schütteln…“ dachte er sich. Frau Zimmermann, von nebenan, eine langjährige Freundin seiner Oma, war hier. Auch Frau Struchlino, die alte Hexe, war gekommen. Ihren Beinamen hatte Fridolin ihr im Kindesalter verpasst, weil sie damals immer Rezepte vorbeibrachte. Aber nicht irgendwelche leckeren Kuchenrezepte, sondern andere. Solche, welche nach deren Ausführung die Küche immer in eine übelriechende Rauchkammer verwandelte und, falls die Endprodukte überhaupt zum Verzehr gedacht waren, auch so schmeckten. So ekelhaft, dass er währenddessen und auch Stunden später, immer einen großen Bogen darum machte. Wenigstens musste er nie was davon essen, weil diese Speisen immer ‚Nur für Erwachsene‘ gewesen waren.

Neben den zwei Damen waren noch Paul, Sandra und Johannes – drei ihrer besten Freunde- gekommen. Er hatte auch darauf gehofft Marco anzutreffen, doch er kam nicht. Womit er eigentlich eh gerechnet hatte, trotzdem hätte er sich sehr über seine Anwesenheit gefreut.

Nach dem Begräbnis und sämtlichen dieser Trauerfeierlichkeiten fuhren Fridolin und Claudia zum Haus seiner Großmutter, bzw. zu ihrem neuen Heim. Es war vollkommen leer, bis auf eine Schachtel mit alten Fotos. Den Rest hatte seine Großmutter testamentarisch entsorgen lassen. Eigenartig, aber sie wollte wohl Platz für Neues hinterlassen, dachte Claudia und stürzte sich sogleich auf die Bilder. Beim Durchstöbern blieb sie bei Fridolins Babyfotos lachend hängen. Er selbst lächelte unbeeindruckt und ging eine Runde durchs Haus. Er streifte durch die Räume, die er zwar schon sein ganzes Leben lang kannte und doch waren sie ihm nun so fremd. Alles war leer und strahlte eine gewisse Kälte aus. Beim Spaziergang durch das kellerlose Haus, bemerkte er plötzlich einen großen Eisenring unter der Treppe. Bislang war dieser Platz immer mit regalen verstellt gewesen, weshalb er den Ring noch nie zuvor bemerkt hatte. Aus demselben Grund war ihm wohl auch die Falltür, welche der Ring wohl öffnete, bislang noch nicht aufgefallen.

Claudia hatte jetzt ein sehr altes Foto in der Hand. Darauf waren eine grimmige Zigeunerin, drei tanzende Mädchen und ein ängstlicher Junge neben einem großen Pferdewagen abgebildet. Als sie Fridolin danach fragen wollte hatte dieser die Falltür bereits geöffnet und leuchtete mit seinem Handy nach unten um irgendetwas erkennen zu können. Eine Leiter führte nach unten in einen kleinen Raum. Vielleicht wurde er im Krieg als Bunker benützt? Interessant bei dem Raum war allerdings, dass er neben der Falltür noch eine weitere Tür besaß. Es war eine schwere Holztür, welche keine Klinke sondern nur ein Schlüsselloch hatte. Sogleich wurden sämtliche Schlüssel im Haus ausprobiert, doch keiner davon passte überhaupt erst ins Schloss. Und nach etwas Herumgeklopfe und genauem unter-die-Lupe-nehmen, überzeugte Claudia den neuen Mann des Hauses, dass es sich bei der Tür wohl um einen Lückenfüller handelte. In der Wiederaufbauphase waren Ziegel Mangelware, weshalb viele einfach vernagelte Türen und Fenster, welche sie in den Trümmerhaufen fanden, verwendeten um ein paar Ziegel einzusparen. So wurde die Tür erst mal Nebensache da sie bereits am darauffolgenden Tag mit dem Großteil ihres Hab und Guts ins Haus einziehen wollten. Und dafür mussten erst noch Lieferwagen organisiert, helfende Freunde mobilisiert und einige Formalitäten geklärt werden. Zu ihrem Glück hatte ihr Freund Paul einen großen Bus und, was noch viel wichtiger war, er hatte Zeit und half den beiden gerne.

Es war ein Dienstagabend an dem sich das Paar zum letzten Mal, in ihrer bereits mit Umzugskartons vollgepackten Zweizimmerwohnung, vor dem Fernseher zusammenkuschelte. Auch wenn sie es etwas überspielten, war es ein großer Schritt für die beiden. Sie hatten nun keine Familie mehr. Claudia war nach einem Anschlag in der Nachkriegszeit zur Waisen geworden und hatte sich nach drei langen Jahren im Waisenhaus ihren eigenen Weg gebahnt. Fridolin hatte seine Eltern bei einem tragischen Autounfall verloren und nun war ihm mit dem Ableben seiner Großmutter auch noch sein letztes Familienmitglied genommen worden. Doch sie hatten sich gegenseitig und das reichte ihnen.

Frühmorgens am nächsten Tag begann das große Siedeln. Paul und seine Freundin hatten gerade Urlaub und halfen den beiden. Paul und Fridolin kannten sich aus dem Kindergarten und teilten sich seither unzählige Lausbubengeschichten. Sandra, Pauls Freundin, war auch mit den Beiden aufgewachsen und schon seit Jahren dick mit Claudia befreundet.

Vor dem Start gab es erstmal ein üppiges Frühstück, bei dem die letzten Geschehnisse besprochen wurden. Und wie schon so oft wurde abermals über Claudias kindliches Aussehen gelacht um den Neid deswegen zu vertuschen. Dafür dass sie mit ihren 25 Jahren nur ein Jahr jünger war als Fridolin, sah sie aus als wäre sie in der Blüte ihrer Teenagerjahren. Claudia lächelte nur bescheiden und begann den Tisch abzuräumen, was dem Startschuss zum Möbelpacken gleichkam.

Die Mädels kümmerten sich um die Kartons und begannen diese auch auszuräumen, während sich die Jungs mit den größeren Einrichtungsgegenständen, wie etwa das Bett, Sofa, Kästen usw. herumplagten.

So ging es den Vormittag voran. Zu Mittag gab es gelieferte Pizza zum Wiederaufladen der Batterien. Weil Paul, wie er es nannte, bekennender „Marihuana-Benützer“ war, war auch für einen kalorienarmen und etwas Lunge belastenden Nachtisch gesorgt. Es fehlte noch einiges an Einrichtung, aber Pauls Dessert verhalf dem Nachmittag zu einem angenehmen Start.

Als sie am Abend nochmals zusammensaßen, kam Sandra mit einem Bild in der Hand von der Toilette zurück. Sie habe es unter einem unausgepackten Umzugskarton gefunden. Als sie es Fridolin danach fragend übergab, sah dieser es zum ersten Mal. Bei genauerer Betrachtung fiel ihm allerdings auf, Dass er jede der abgebildeten Personen, die alte Frau, sowie die Kinder noch niemals zuvor gesehen hatte. Beim Durchreichen des Bildes erkannte Paul, dass der kleine Junge eine gewisse Ähnlichkeit mit Fridolin hatte. Vielleicht war es ein Urururgroßvater von ihm scherzte Paul. Doch als Fridolin nicht auf seine Zankerei einstieg stellte Paul die Frage vor der sich das neu behauste Paar etwas gefürchtet und dennoch etwas gefreut hatte: „Und? Wann starten wir die Party?“. Und auf das Stottern der Beiden fuhr Paul fort: „Samstag?“. „Ähh…“ „Also gut dann Samstag“, sagte er grinsend, während er aufstand und seine schwarze Lederjacke nahm. Auf den wortlosen Händeeinschlag zur Verabschiedung, stand es dann fest: Party am Samstag.

Die folgenden zwei Tage vergingen wie im Flug: Früh morgens zur Arbeit, gemeinsamer Mittagssnack und am Abend Umzugskartons ein- und aus- und hin- und herräumen. Am Samstag hingegen schliefen die beiden gemeinsam aus und begannen nach einem ausgiebigen ‚Mittagsstück‘ die Partyvorbereitungen zu treffen. Zuerst wurde eine Liste mit Einkäufen erstellt, welche anschließend gemeinsam abgehandelt wurde. Anschließend während Claudia das Haus dekorierte bzw. Partysicher machte, bereitete Fridolin seine Spezialität vor ‚Chili-Fridoli‘. Er wusste ein gutes Chili brauchte neben viel Liebe bei der Zubereitung, viel Zeit zum Einziehen. Und nachdem die Snacks bereit- und die Getränke kühlgestellt und auch sonst sämtliche Vorbereitungen getroffen waren gönnten die beiden sich noch eine Ruhe vor dem Sturm und zwar mit einer von Pauls Zigaretten.

Ihre ersten Gäste kamen bereits kurz danach, was waren ihre zwei Umzugshelferlein und ihr alter Freund Johannes mit seiner neuen Freundin Melanie. Die beiden waren seit knapp einem Monat zusammen, hatten sich seither aber sehr selten blicken lassen. Claudia war deshalb auch nicht besonders beleidigt gewesen. Sie mochte Melanie nicht. Sie fand sie war eine von diesen etwas unbeholfenen Woo-Girls. Die sich selbst für schlau hielten, es aber eigentlich nicht waren. Johannes zuliebe war sie aber dennoch nett (…) zu Melanie, obwohl sie hoffte, dass sie sich nicht allzu sehr an diese Tussi gewöhnen musste.

Nach und nach kam die Party richtig in die Gänge. Es wurde gelacht, getanzt und nicht zu knapp getrunken. Doch plötzlich wurde mitten im Getöse ein Wolfsheulen laut. Fridolin, Paul und Johannes, welche sich gerade in verschiedenen Ecken der Fete begossen, schauten gleichzeitig auf und wussten was los war. Marco war los. Der größte Trunkenbold und Womanizer diesseits des Äquators und zudem der vierte in ihrem Bunde, war hier. Alle marschierten in Richtung des animalischen Aufrufs, wo Marco sie bereits mit einer Flasche Whiskey erwartete. Nach einer äußerst männlichen Vierer-Gruppenumarmung drückte er gleich jeden seine eigene Flasche von dem Lebenselixier, wie er es bezeichnete, in die Hand.

Marcos Whiskeyfabrik war vor kurzem an die Börse gegangen und hatte ihm ein kleines Vermögen eingeheimst. Wenn man ihn so kannte, wie die drei es taten, konnte man es kaum glauben, dass genau er ein so erfolgreiches Unternehmen führte.

Doch nun mit seiner Anwesenheit wurde die Party erst richtig heiß. Es wurde noch mehr getanzt und noch lauter gesungen und gefeiert. Später als Fridolin sich Chilitopf stärken wollte, traf er dort Johannes. Es war einer dieser seltenen Partymomente an dem sie nur zu zweit in der Küche standen. Beide waren betrunken genug um Männer-Realtalk zu führen, woraufhin Fridolin den Entschluss fasste ihn nach seiner Freundin zu fragen. Gerade als er seinen Mund dazu öffnete, platzte Paul lachend zur Tür herein und befahl: „Kommt schnell! Das müsst ihr sehen!“ sie folgten ihm zur Terasse, wo ihnen auf halben Wege eine hübsche, fluchende Asiatin entgegenkam. Als sie nach draußen schritten wischte Marco mit seinem Ärmel seinen Mund ab, machte seine Hose zu und meinte trocken: „Egal was ihr gesehen habt, es ist nie passiert.“ Daraufhin erwiderte Paul: „Doch, und zwar hast du gerade deinen Mageninhalt am Rücken dieses werten Fräuleins entleert.“ Während sich Fridolin und Johannes vor Lachen verbogen, antwortete Marco nüchtern „Ach, halt's maul und gib mir `nen Ofen.“ „Nur wenn du vorher deinen ekligen Mund ausspülst.“, und hielt ihm seine Bierflasche hin. Marco saugte die Flasche leer und Paul heizte ein.

So rauchten sie draußen einen, lachten über vergangene Tage, über ihr altes Baumhaus und das eine Mal als Marco ihnen beweisen wollte, dass das dunklere Brett in der Hängebrücke gar nicht morsch war, woraufhin er natürlich durchfiel wie durch eine… und dann fiel Fridolin plötzlich wieder die Falltür unter der Treppe ein. Als er seinen Freunden davon erzählte, wollten diese sie natürlich gleich unter die Lupe nehmen. Gesagt getan. Unten vor der schweren Holztür, wo es zu viert schon etwas eng war, kam Marco auf die Antwort der Frage. Er befahl allen hier auf ihn zu warten und huschte, trotz seiner schätzungsweise 2 Promille, die Leiter nach oben und verschwand. Die drei sahen sich verdutzt an und begannen über die Tür zu philosophieren: „Es ist bestimmt ein Mausoleum…“ „Nein, sondern der Zutritt zu einer verborgenen Stadt“ „oder es ist Großvaters Partyraum…“ In ihrem Zustand konnten sie sich so circa alles ausmalen, doch was Marco in der Hand hielt, als er wieder herunter kam – an sowas hatte niemand gedacht.

„Alter?! Eine SCHROTTFLINTE??“

„Wo bitte hast du denn das Teil her?“

„Unwichtig“ erwiderte er.

„Du bist ja irre!“

„Ein bisschen. Und jetzt geh mir aus dem Weg.“

Die Drei schrien im Chor als sie bemerkten was er damit vorhatte. „Marco, NEIN!“

Schuss!

Alle waren leise… nur das Partygedröhn drang leicht durch ihre summenden Ohren durch. Oben hatte niemand etwas bemerkt. Betäubt vom lautem Schuss im kleinen Raum brach Marco die Stille: „Das wollt ich schon immer mal machen.“ „Du hast ja `nen vollen Hieb, Mann!“ „Aber die Tür ist offen!“ rechtfertigte sich Marco. „Also ist es doch eine Tür!“ erkannte Fridolin mit Begeisterung, welche sich am Ende des Satzes in Nachdenklichkeit wandelte.

„Na dann“, Marco drückte jeden eine Stirnlampe in die Hand, und fuhr fort: „worauf warten wir noch?“ Er schob die Tür behutsam auf und schritt in die Dunkelheit. „Wartet“ orderte Joe und nahm unter der Leiter ein verstaubtes Seil hervor. „Was willst du denn damit?“ fragte Paul. „Dude, blutiger Pfad Gottes?!“ „Logisch, was frag ich überhaupt.“

Sie stiegen einer nach dem anderen durch das neu geöffnete Portal und fanden sich in einem mittelalterlichen Tunnel wieder. Während sie ihm weiter nach unten folgten, spekulierten sie wiederum darüber was sich wohl an dessen Ende befand.

„Wahrscheinlich führt er zu deiner hauseigenen Hanfplantage…“ „…oder zu einer Schatzkammer voller Gold und Gemälden…“ „… oder zu einer Mülldeponie.“ „Was?! No Way! Er führt zu einem Kloster wo deine Großmutter früher den Mönchen etwas zur Hand ging.“, scherzte Marco Richtung Fridolin, der gerade die Führung des Erkundungstrupps übernommen hatte. „Marco, du bist geschmacklos und widerlich, und ich glaube wenn dich deine Mutter jetzt gehört…“ doch plötzlich verstummte er und blieb stehen. Neben ihm fädelten sich Paul, Joe und Marco wortlos auf. Sie standen vor einer Schlucht. Die Zwei bis drei Meter zum anderen Ufer waren es nicht, die ihnen Angst bereiteten- es war die Flugdauer des Steins den Fridolin nach unten warf, die ihnen einen flauen Magen bereitete. Während die anderen noch in die Tiefe blickten leuchtete Marco die gegenüberliegende Seite ab. „Da, die Brücke.“ Drüben war ein langes Brett an die Tunnelwand gelehnt. Wahrscheinlich war es einst der Steg über die Schlucht gewesen, und wenn nicht, konnte man es bestimmt als solchen missbrauchen. Jetzt musste nur noch einer hinüberspringen und die Brücke für die anderen aufbauen. Johannes verzog sein Gesicht zu einem breiten Grinsen. Mit dem Seil in der Hand strahlte er seine Freunde von der Seite an. Marco sah in an und meinte unbeeindruckt: „Sehr gut, Joe meldet sich freiwillig.“ Während Fridolin und Paul ihm lachend zu jubelten fielen Johannes die Mundwinkel, mit einem „so war das nicht gemeint“ wieder nach unten. „Komm schon, Weitsprung war doch schon immer deine Disziplin.“, pöbelte Paul sarkastisch. „HA. HA.“ Erwiderte Joe leicht gereizt, „euch werd ich`s schon zeigen.“ Sie schnürten ihm das Seil straff um den Bauch und begaben sich in Position. „Eins noch“, schaffte Joe an „gebt mir nicht zu viel Seil. Wenn ich falle, hab ich keinen Bock drauf tief zu fallen, verstanden?“ „Roger“, antwortete Fridolin, „auf drei… eins … zwei … DREI“ Und Joe startete durch. Seine Sprinttechnik hatte sich seit der Schule kaum geändert. Mit einer Skalphöhe von 195cm und seiner schlaksigen Körperform sah es aus als würde eine Babygiraffe auf Gummistelzen auf die Schlucht zu rennen. Er kam an die Kante, sprang, segelte überraschend kontrolliert durch die Luft und landete haarscharf auf der anderen Seite. Doch genau in diesem Moment kehrte das zu straff gehaltene Seil seine Bewegungsrichtung um und er versuchte mit seinen kreisenden Armen gegen die Rückenlage anzukämpfen. Die kurze Freude der einen wurde schnell durch Schock ersetzt. Sie gaben ihm mehr Seil doch es war bereits zu spät. Johannes hatte sein Gleichgewicht bereits verloren und stürzte rückwärts in den Abgrund. Es passierte genau das, wovor er Angst gehabt hatte. Im freien Fall nahm er erheblich Geschwindigkeit auf und pendelte anschließend zurück an die Wand der Schlucht. Ein dumpfer Schlag und sein Aufschrei signalisierten seinen Freunden oben, dass er mit voller Wucht gegen den Fels geknallt war. Die verängstigten Rufe nach ihm und seinem Befinden unterbrach Johannes mit: „Mir geht’s gut, aber mein Bein…“ Sie zogen ihn nach oben und setzten ihn an die Tunnelwand. Sein Bein sah gar nicht gut aus. Es blutete zwar kaum jedoch hatte sein Knöchel bereits eine tennisballgroße Schwellung. Johannes befahl ihnen etwas panisch ihm zu einen Arzt zu bringen. Daraufhin meinte Paul, dass es halb so tragisch sei. Maximal eine schwere Verstauchung, solche habe er als Kind halbjährlich gehabt. Während Marco und Fridolin die Diskussion weiterführen setzte sich Paul unbemerkt ab und nahm Anlauf. Als die Drei seine sprintenden Schritte vernahmen und sich umdrehten, war dieser bereits abgehoben. Und im nächsten Augenblick rollte er sich auch schon im Ninja Style am anderen Ufer ab. Auf das Entsetzen der anderen meinte er nur, smoke and fly, war das Brett über die Schlucht und stieg vorsichtig darüber zurück. „Ok und was jetzt?!“ fragte Fridolin in die Runde, worauf hin Marco anwies: „Johannes bleibt hier und bewacht die Brücke. Wir gehen weiter und holen uns den Schatz.“ „Ok“ „Ist gut“ „WAAS? Ich soll alleine hierbleiben??“ „Komm schon Joe, wir lassen dir Bier und noch ne Taschenlampe da“, beruhigte Paul. „Und wir müssen sowieso wieder hier zurück, also vergessen wir dich auch nicht“, fügte Fridolin hinzu. „Oh ja, so wie das letzte Mal beim Nachtbaden?“ „Ach komm schon, das war doch nur Spaß“, rechtfertigte sich Marco. „Nur SPASS?! Ich bin zwischen verängstigten Kindern und zornigen Eltern aufgewacht… und zwar nackt!“ „Mann, es nervt mich immer noch, dass wir die GoPro nicht aufgestellt haben“ seufzte Marco. „Ihr habt mir die Sachen geklaut und hätte mit der Bademeister nicht eine Badehose aus den Fundsachen gegeben, hätte ich nackt nachhause gehen müssen!“ „EYEYEY, niemand hat dir irgendwas geklaut, nur versteckt...“ Und bevor Johannes zum lautstarken verbalen Gegenschlag ausholen konnte beendete Fridolin das Gezanke indem er dem Verwundeten versprach, dass sie ihn diesmal nicht zurücklassen würden und sich doch nur noch ein wenig weiter umsehen wollten. So willigte Joe ein und blieb versorgt mit Licht, Bier und einer von Pauls Beruhigungszigaretten zurück.

So marschierten die Drei weiter, um das Geheimnis des Tunnels zu lüften. Dieser zog sich nach und nach immer weiter zu einem Schacht zusammen, bis er den Trupp mit einer Weggabelung zu einer weiteren Entscheidung zwang.

Johannes hingegen beruhigte sich selbst mit der Marihuana Zigarette und trank Bier. Er ließ seine Gedanken schweifen, bis er irgendwann realisierte wo er gerade war und was er gerade machte. Er begann mit der Taschenlampe herum zu leuchten und merkte wie sich sein Gehörsinn in der Stille schärfte. Eigentlich rauchte er nicht, weshalb er an die mitschleichende Paranoia nicht gewöhnt war. Ebenso wenig bedachte er die Gefühlsverstärkung welche den Teufelskreis, der langsam an seiner Vernunft nagte, weiter antrieb.

Währenddessen begannen sich Paul und Marco darüber zu streiten welchen Weg sie weiter folgen sollten. Paul meinte von links einen Luftzug gespürt zu haben, weshalb sie diese Richtung einschlagen sollten. Marco, der nur zu gern alles nach seiner Pfeife tanzen lies, widersprach ihm und wollte nach rechts. Zum Glück wusste Fridolin wie er die zwei handhaben musste, um für Einigkeit zu sorgen. Er zog eine Münze hervor und die zwei Streithähne wussten augenblicklich: Oldschool ist angesagt. Marco wusste, dass Paul immer Kopf nahm weshalb er gleich aufschrie: „SHOTGUN, KOPF!“ Paul wechselte seine Mimik von überrascht auf genervt und stampfte nur ein „Zahl“ in den Boden. Fridolin zuckte nur grinsend mit den Schultern und warf die Münze.

Kopf.

Marco schrie laut lachend in Pauls Gesicht und marschierte los. Woraufhin dieser nur seine Augen überdrehte und die Entscheidung der Münze hinnahm. Während auch er losging zückte er einen Joint aus seiner Brusttasche. Fridolin folgte den beiden etwa zehn Meter bis er hinter dem zu stein erstarrten Paul bereits wieder zum Stehen kam. Als er um ihn herumging und seinen starren Blick zum Boden folgte, fragte er was los war. Mit der Tüte im Mundwinkel hängend antwortete er: „Mein Feuerzeug.“ Marco, der gerade zurückkam, hielt ihm eines entgegen und sagte: „Mach keinen Stress und nimm meines.“ Paul entriss sich mit einem lautstarken Nein entsetzt seiner Starre. Das Feuerzeug war für ihn sein wertvollster Besitz. Es war ein altes Benzinfeuerzeug, welches er von seinem bereits verstorbenen Großvater bekommen hatte. Er hatte es als Geschenk zu seinem Hauptschulabschluss erhalten und seither immer bei sich.

„Mann, komm runter!“, beruhigte ihn Marco „was ist besser? Ein kalter Ofen oder eine brennender?“ Paul sah ihn verdutzt an, doch sah plötzlich ein wie recht er hatte. Nachdem er den ersten tiefen Zug nahm als wäre es Treibstoff für sein Hirn, stieß er schlussfolgernd hervor: „Ich muss es beim Sprung über die Schlucht verloren haben. Ich geh zurück.“

„WAAS?“

„Ist nicht dein Ernst?!“

Er drückte Fridolin ohne weiter ein Wort zu verlieren, die Lunte in die Hand und ging los in die Richtung aus der sie gekommen waren. Etwas planlos blieben die beiden zurück. Fridolin sah Marco mit einem fragenden Blick an, worauf der erwiderte: „Nein Mann, wir holen uns den Schatz.“ „Ok, ok. Sehen wir uns noch ein bisschen um.“ Die Schrottflinte geschultert, Whiskeyflasche und Joint abwechselnd im Anschlag, machten sie sich auf die ungewisse Dunkelheit weiter zu erkunden.

Paul hastete zurück als er zwei Wegbiegungen von der Brücke entfernt, plötzlich einen verängstigten Aufschrei aus der Richtung vernahm. Geschockt blieb er stehen: Joe! Und startete einen Sprint zurück zur Schlucht. Dort angekommen sah er Johannes am anderen Ufer reglos sitzen. Seine Stirnlampe blendete ihn, sodass Paul nur teilweise seine Silhouette erkennen konnte. „Joe, was ist los?“ fragte Paul, während er sein Feuerzeug von der Stelle aufhob, wo er zuvor gelandet war. Doch dieser antwortete nicht und saß weiterhin stocksteif dort, wo sie ihn zurückgelassen hatten. „Joe, lass den Scheiß!“ sagte Paul während er über die Brücke zurückging. Er näherte sich ihm langsam, doch als er nahe genug war um sein Gesicht zu erkennen, stolperte er mit vor Entsetzen zugeschnürter Kehle zurück.

Joe… er war … wie ausgesaugt… wie … ein hautüberzogenes Skelett … TOT! Als Paul das realisierte Sprang er auf und eilte verwirrt Richtung Brücke um die Anderen zu holen, doch es war bereits zu spät. Vor ihm schwebte eine halbmenschliche, kahlköpfige Gestalt mit leeren Augenhöhlen und einem sich weit öffnenden Schlund aus dem ein unvorstellbar kräftiger Sog zu verspüren war. Paul erstarrte blitzartig und das letzte was er sah, war wie das Biest vor ihm seine Lebenssäfte in sich aufnahm und ihn anschließend mit seinen großen Augen in dein Tod starrte.

Oben auf der Party hingegen herrschte immer noch reges Treiben. Claudia und Sandra standen gerade im Wohnzimmer und diskutierten gerade über die letzte Folge ihrer beider Lieblingsfernsehserie „Weired Girl“. Als Melanie im Vorbeigehen das Thema aufschnappte, WUUHte sie laut auf und schloss sich ungefragt der Unterredung an. Sie begann gleich damit ihre Lieblingscharaktere aufzuzählen, woraufhin Claudia sich etwas genervt entschuldigte um auf die Toilette zu gehen. Auf dem Weg dorthin ging sie an der geöffneten Falltür vorbei. Die anderen Partygäste nahmen sie gar nicht war, doch sie wusste, dass sie eigentlich geschlossen sein sollte. Sie warf einen Blick hinunter in den leeren Raum und sah sogleich, dass es sich beim vermeintlichen Lückenfüller doch um eine Tür handelte. Sie zuckte zurück, überlegte kurz und lief in die Küche um eine Taschenlampe zu holen.

Währenddessen schüttete Marco, wie er nun mal so war, wenn er mit Fridolin zu zweit war, ihm sein Herz aus. Beklagte sich über die Dummheit anderer, darüber das die Menschheit den Bach runter geht und wie gut es früher war. Marco war ständig ein lebensfroher Mensch. Er stand zu sich selbst, doch ab und zu zeigte auch er seine schwache Seite. Denn manchmal braucht auch der Stärkste jemanden, dem er sich anvertrauen kann. Auch wenn es nur für einen Moment ist. Und es war auch nur für einen Moment, denn jetzt kam der dezimierte Erkundungstrupp wiederum zum Stillstand. Nicht etwa weil sie den erhofften Schatz gefunden hatten, sondern weil sie am Ende des Tunnels angelangt waren. Hier war kein Gold, keine Gemälde oder Edelsteine. Die einzigen Steine waren die in der Backsteinmauer vor ihnen. Enttäuscht von ihrem Fund drehte sich Fridolin schon zum Rückweg um. Marco hingegen nahm einen kräftigen Schluck seines Erzeugnisses und setzte die Doppelläufige an. Als Fridolin das sah, hielt er sich nur noch die Ohren zu und PENG!

Plötzlich war es etwas heller im Tunnel und als sich die Staubwolke vom Schuss lichtete, erkannten die zwei auch warum. Marco hatte tatsächlich ein Loch in die Wand geschossen, durch dieses nun Licht in den ansonsten stockfinsteren Tunnel drang. Die zwei grinsten sich an und untersuchten neugierig das Loch. Es schien als wäre hinter der Wand eine Art unterirdische Waldlichtung, die aus unerfindlichen Gründen hell erleuchtet war. Sie begannen das Loch mit dem Kolben der Flinte zu bearbeiten, bis es schließlich groß genug war um hindurchzusteigen. Auf der anderen Seite fanden sie sich in einer kreisförmigen Höhle wieder, welche durch unzählige eigenartige, grün-gelblich schimmernde Kristalle hell erleuchtet war. Neben einigen Bäumen und Moos bedeckten Boden, durchfloss ein kleiner Bach die Höhle, in dessen Mitte sich eine wiederum kreisförmige Insel befand. Drei Steinstufen darauf führten zu einem kleinen Platon, worauf sich drei sternförmige Barren der Größe einer Schatzkiste befanden.

Fridolin und Marco grinsten sich erwartungsvoll an und schlichen neugierig aber doch vorsichtig die Stufen nach oben. Oben fielen sie beinahe wieder rückwärts nach unten, als sie sahen was sich in den Schatzkisten, oder besser gesagt in den offenen Steinsärgen befand. In jedem der drei, lag das Skelett eines Kindes.

„Du konntest es einfach nicht darauf beruhen lassen, was?!“ ertönte es plötzlich vom Höhleneingang. Die Zwei drehten sich blitzartig um und atmeten erleichtert auf. Es war Claudia.

„Claudia, man hast du uns erschreckt“, antwortete Fridolin. „Komm her und sie dir das an“ fuhr er fort und widmete seine Aufmerksamkeit wieder den Särgen. „Sieht aus als wären sie geopfert worden oder so etwas.“, erkannte Marco.

„Was du nicht sagst, Brain“, meinte Claudia, die bei Vollendigung ihres Satzes, von einem Augenblick auf dem nächsten neben ihm stand. Im nächsten Moment verpasste sie dem 80 Kilo Kampfpacket einen Hieb der ihn 20 Meter durch die Luft segeln ließ. Sein Flug wurde unsanft von einem Baum gebremst. Doch dieser federte ihn leicht zurück, sodass er ungebremst auf den Boden krachte, wo er bewusstlos liegen blieb. Fridolin starrte Claudia fassungslos an. Sie setzte ein ihm unbekannt teuflisches Grinsen auf und fragte überheblich: „Du schnallst es einfach nicht, was?“

Fridolin begann etwas Unverständliches zu stammeln, doch verstand er nicht was sie meinte, was gerade passiert war oder wo er überhaupt gerade hineingeraten war. „Na gut… ich bin dir wohl eine Erklärung schuldig“, begann sie „du wirst es ohnehin keinen mehr erzählen können.“ „Wer bist du?“, löste sich Fridolins Zunge. Sie lachte. „Ok, es ist für einen Kleingeist wie dir, wohl schwer zu sehen… erinnerst du dich an das Foto mit den drei tanzenden Kindern?“ „Ja…, aber was?“ „Es waren meine Enkel.“ Sie streckte den Finger in Richtung der Särge aus und wiederholte: „Das, sind meine Enkeltöchter“ Fridolin startete noch einen Anlauf um endlich zu verstehen: „Wer… oder WAS bist du?“ „Ich?“, antwortete sie grinsend, „Ich bin Esmiralda Claudia Tetruschka Rutrova und ich habe das Geheimnis der ewigen Jugend gelüftet. Nur wird es dir leider nichts mehr nützten, weil deine Zeit jetzt abgelaufen ist.“ Fridolin schritt entsetzt zurück und Claudia fuhr fort „Schade, dabei mochte ich dich sogar… aber nun ja, bitte mach dir um mich keine Sorgen, ich finde schon jemanden neues. Nach einer angemessenen Trauerzeit versteht sich.“ Sie lachte in den Klängen der Hölle hoch auf. „Doch nun ist genug geredet!“ Sie sprang nach Beendigung des Satzes direkt vor Fridolin, packte ihn am Kragen und hob ihn von seinen Füßen. Sie hakte ihr Unterkiefer schlangenähnlich aus und riss ihr Maul weit auf woraufhin Fridolin einen unerträglichen Sog verspürte. Plötzlich erklang eine tiefe Stimme aus dem Hintergrund: „Esmiralda, bist du zurückgekommen um deine gerechte Strafe zu erhalten?“ Claudia schloss überrascht ihren Mund, begann zu grinsen und ohne ihre Augen von Fridolin zu lassen, antwortete sie: „Handlanger, wie schön… und ich dachte schon du hast`s hinter dir.“ „Noch nicht.“ „Oh… Also haben wir regelrecht ein Familientreffen, was?“, fuhr sie fort, während sie ihren Kopf über die Schulter drehte und ihren Gesprächspartner vom Augenwinkel aus anfunkelte. „Schade nur, dass es mit euer beider Tot endet!“ Sie ließ Fridolin fallen und sprang auf das eigenartige schwebende Wesen, das nun schon fast menschliche Züge besaß. Die beiden verfingen sich in einem unerbittlichen Kampf. Fridolin sank zu Boden und beobachtete das Geschehnis, versteckt von hinter einem der Särge aus. Anfangs sah es so aus als wäre Claudia unterlegen, doch plötzlich stieß sie ihren Kontrahenten zurück und lachte: „Du bist alt geworden Handlanger!“ Sie schleuderte ihn quer durch die Höhle, sodass sein Körper die Bäume in seinem Weg, kappte. Mit einem Satz sprang sie ihm hinterher, landete auf seinen Armen und riss wiederum ihr Maul auf um ihm seine Lebensgeister zu nehmen. Die Kreatur war ihr hilflos ausgeliefert, als wie aus dem nichts Marco hinter ihr stand und ihr mit dem Schaft der Schrottflinte beinahe den Kopf vom Hals schlug. Ansonsten davon unbeeindruckt, richtete sie ihren Kopf auf und drehte sich zähnefletschend nach Marco um. Sie plusterte sich auf, packte Marco und begann mit einem „Du Wurm“, ihn sich einzuverleiben. In diesem Moment der Unachtsamkeit huschte die Kreatur zwischen den beiden hindurch, in ihren Schlund. Woraufhin Claudia die Augen weit aufriss, Marco fallen ließ und zu würgen begann. Fridolin, der nur auf seine Chance gewartet hatte, schlich hervor, packte Marco und zog ihn zur Seite hinter einen Baum. Dahinter versteckt beobachteten sie wie Claudia laut kreischend wie ein immer weiter aufgeblasener Luftballon anschwoll und anschließend unter ohrenbetäubenden Geschrei, wie einer platzte.

Für eine kurze Ewigkeit war es totenstill.

Es ertönte ein leises Brummen. Die Kristalle begannen regelrecht zu strahlen und bündelten ihre Energie in der Mitte der Höhle über den Särgen. Die drei Skelette lösten sich in Lichtpartikel auf und begannen sich in Abbildungen der drei Mädchen zu formen. Darauf ertönten drei liebliche Kinderstimmen im Chor und Sprachen: „Fridolin, Abkömmlich der Schwenktopf Familie, wir sind dir und deinen Vorfahren zu ewigen Dank verpflichtet. Du, gemeinsam mit deinen Gefährten hast den Bann über uns gebrochen und uns befreit. Als Dank dafür geben wir ihre Lebensgeister wieder frei.“ „Was ist mit Claudia?“, bohrte Fridolin nach, „Wer war dieser Handlanger? Wartet, ich habe noch so viele Fragen!“. Doch die Stimmen waren verstummt. Die Abbildungen lösten sich wieder und die Lichtpartikel verschwanden im Tunnel.

Nun waren Fridolin und Marco alleine zurückgeblieben in der dunklen Höhle, die nun nur noch von ihren Stirnlampen erleuchtet war. Es war wiederum totenstill bis Marco genervt meinte: „Und wo ist jetzt dieser verdammte Schatz?“ Beide begannen unkontrolliert zu lachen und schlossen sich mit Tränen in den Augen in die Arme. „Lass uns abhauen“, startete Fridolin. „Ok“ Er half Marco auf die Beine und stützte ihn im Gang.

„Hast du gesehen wie sie geguckt hat als ich ihr die Schrott drüber gezogen hab?“, prahlte Marco. „Ja, göttlich!“, lachte Fridolin. Auf halbem Wege kamen ihnen Paul und Johannes entgegen. Sie waren gerade aufgewacht und vor Aufregung komplett außer sich. Sie konnten nicht genau in Worte fassen was ihnen widerfahren war, doch als Paul nachfragte warum Marco so schwer hinkte, bekamen sie die Kurzfassung ihrer Geschichte zu hören. Woraufhin sich Paul und Johannes einen also-sind-wir-doch-nicht-verrückt Blick zuwarfen, und sich allesamt in die Arme schlossen.

„Schwuul!“, beendete Marco das Gruppenknuddeln und sie marschierten, heilfroh und dennoch sehr verstört über das Erlebte, zurück. Fridolin stellte fest das Johannes wieder vollkommen gesund war, worauf Joe auch keine Erklärung wusste. Doch Marco durchschaute das Spiel und beklagte sich warum er den keine dieser Lichtspritzen bekommen habe. Auf der Party waren noch eine Handvoll Gäste. Sandra und Melanie kamen gleich auf sie zu und fragten wo die Vier den gewesen sein und was mit Marcos Bein los war. Der Erkundungstrupp wechselte Blicke und wusste, dass sie keinen davon erzählen konnten, ohne deshalb für verrückt erklärt zu werden. Dann geschah, was in solchen Situationen immer geschah: Marco rückte mit einer Geschichte raus die noch viel unglaubwürdiger war als die eigentliche, woraufhin die Mädchen ihn zwar wieder blöd anmotzten, aber dafür auch nicht mehr nachfragten.


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